Orchidee

Es war reiner Zufall, dass sich Alex und Natascha wieder einmal trafen. Sie hatten zusammen das Gymnasium besucht, und Alex hatte schon damals ein Auge auf sie geworfen gehabt, wie fast alle anderen Burschen in seiner und den Parallelklassen, ohne sich allerdings jemals echte Hoffnungen zu machen. So schoen sie war, so unnahbar war sie stets gewesen. Geschichten, dieser oder jener haette sie doch ‚rumgekriegt, hatten sich immer recht schnell als Geruechte herausgestellt. Dummerweise war sie gleich nach der Reifepruefung mit ihren Eltern in ein anderes Bundesland gezogen.

Und nun sah er sie wieder, im Anhaenger der Strassenbahnlinie 18, Richtung Westbahnhof. Er erkannte sie erst beim Aussteigen, als sie ihm ihr Profil zuwandte. Spontan sprach er sie an.

„Hallo, Natascha, wie geht’s?“

Sie fuhr herum. Zunaechst schien sie ihn nicht zu erkennen, denn sie sah ihn erstaunt, beinahe feindselig an.

„Ja, bitte!“ sagte sie in einem Ton, der einem leicht jede Hoffnung rauben konnte. Doch Alex hatte nicht die Absicht, sich dadurch die Freude des Wiedersehens nehmen zu lassen.

„Erkennst du mich denn nicht?“ fragte er und laechelte sie an. „Alex. Alex Michalek. Wir sind zusammen in die Schule gegangen.“

Nun erkannte sie ihn, und ein Laecheln huschte kurz ueber ihr Gesicht.

„Hallo Alex!“, sagte sie. „Tut mir leid, ich hab‘ dich nicht gleich erkannt.“

„Macht doch nichts“, erwiderte er. „Ich habe mich ja auch ziemlich veraendert in den letzten zwei Jahren.“

„Der Bart macht dich aelter!“ sagte sie. Tatsaechlich hatte er sich aus eben diesem Grund einen Vollbart stehen lassen; er sah naemlich sonst bedeutend juenger aus, als er in Wirklichkeit war, was seinen Freunden und Bekannten nicht selten Gelegenheit zu aetzendem Spott geboten hatte.

„Hast du jetzt was vor?“ fragte er sie.

„Eigentlich wollte ich nach Hause fahren“, antwortete sie. „Meine Grossmutter hat morgen Geburtstag, und da gibt’s ein grosses Familientreffen.“

„Gibt’s nicht noch einen spaeteren Zug?“ fragte Alex. „Weisst du, ich wuerde gerne noch ein bisschen mit dir plaudern. Schliesslich haben wir uns lange nicht gesehen.“ Sie sah auf die Uhr.

„Ich glaube, es geht noch ein Zug um viertel sieben. Warte hier, ich schau‘ mal nach!“

Alex hatte keine Lust zu warten; er begleitete sie. Es ging ein Zug um viertel sieben, und es gab sogar noch zwei spaetere Zuege, die sie nehmen konnte.

„Schoen“, sagte sie, nachdem sie ihre Reisetasche in einem Schliessfach verstaut hatte. „Was machen wir jetzt?“

Es war ein heisser, schwueler Tag, und so gingen sie miteinander Eis essen, spaeter dann ins Kino. Alex hatte nur Augen fuer Natascha; der Film interessierte ihn kaum. Sie war immer noch so schoen wie damals, vielleicht noch schoener, denn ihr Gesicht wirkte nun regelmaessiger und irgendwie reifer.

„Irgendwie habe ich gar keine Lust, jetzt schon nach Hause zu fahren“, sagte sie, als sie zusammen am Bahnsteig standen. „All diese alten Leute – brrr!“ Sie schuettelte sich. „Ausserdem habe ich einen Mordshunger!“

„Wir koennten zu mir gehen“, schlug Alex vor. „Ich wohne gleich hier in der Naehe, und ich muesste eigentlich noch ein paar Tiefkuehlpizzas zu Hause haben.“

„Na grossartig!“ meinte sie.

Sie fuhren ein Stueck mit der U-Bahn; den Rest mussten sie zu Fuss gehen. Es war jene Gegend des Guertels, wo sich ein einschlaegiges Nachtlokal an das andere reihte.

„Du wohnst doch nicht etwa hier?“ fragte Natascha, als sie einen Hauseingang gleich neben einem dieser Lokale betraten.

„Oh doch!“ sagte er. Sie gingen die Treppe hinauf. Das Haus roch ziemlich muffig, und von den Waenden blaetterte die Farbe ab.

„Muss doch schrecklich sein, hier zu leben“, meinte sie, als sie vor seiner Wohnungstuer standen.

„Ich gebe zu, es ist nicht gerade mein Traum. Aber dafuer kostet es mich keinen Groschen.“

Sie sah ihn fragend an.

„Die Wohnung gehoert einem Freund von mir. Er hat sie mir sozusagen geliehen. Er kann jederzeit hier auftauchen und mich rausschmeissen – aber das ist mir im Moment wurscht. Dann zieh‘ ich eben wieder zu meinen Eltern. So, bitte, hinein in meine Klause.“

Er hatte die Tuer aufgestossen und liess ihr galant den Vortritt.

„Sieht ja graesslich aus!“ sagte Natascha angesichts des Chaos‘, das sich vor ihr ausbreitete.

„Ein aufgeraeumtes Zimmer ist ein Zeichen fuer einen unaufgeraeumten Geist!“ widersprach Alex.

„Wo hast du denn DEN Spruch her?“

Alex tippte sich an die Stirn. „Selbst ausgedacht. Mein Wahlspruch fuer diesen Monat – und wahrscheinlich auch fuer die folgenden.“ Er grinste. „Setz‘ dich irgendwohin, wo Platz ist! Ich schiebe mal schnell die Pizzas in den Ofen.“

„Was machst du eigentlich so?“ fragte sie, als er es sich neben ihr auf dem alten, abgewetzten Ledersofa bequem gemacht hatte. Er hatte fuer sie beide ein Glas Fruchtsaft mitgebracht, und sie trank es auf einen Zug aus.

„Offiziell studiere ich Elektrotechnik“, sagte er. „Das haelt mir das Bundesheer vom Leib, ausserdem kriege ich einen Freifahrtausweis und Ermaessigungen und, und, und.“

„Und inoffiziell …“

„Inoffiziell – inoffiziell bin ich Schriftsteller. Ich schreibe fuer Playboy, Penthouse, und wer sonst Interesse an erotischen Geschichten hat.“

„Kann man davon leben?“

„Nur wenn man fuer einen halben Monat auf jede Nahrungsaufnahme verzichtet“, sagte er und lachte. „Aber ich mache daneben auch noch ein paar Uebersetzungen – Anleitungen fuer Computerprogramme und aehnlichen Mist. Na ja, und sonst habe ich auch noch ein paar Geschaefte laufen.“

„Mit anderen Worten, du bist ein echter Tagedieb geworden!“ stellte sie fest, doch es klang keineswegs abschaetzig, sondern im Gegenteil eher bewundernd.

„Und was machst du so?“

„Ich studiere – offiziell UND inoffiziell – Jus!“

„Da muss ich mich wohl in acht nehmen, was ich so von mir gebe“, meinte Alex.

Sie winkte ab. „Halb so wild – ich bin erst im zweiten Semester.“

Das Rasseln der Eieruhr unterbrach ihr Gespraech. Alex holte die Pizzas aus dem Ofen, und sie assen mit grossem Appetit.

„Was ist das fuer ein Fleck da?“ fragte sie, als er ihr ihren leergeputzten Teller abnahm.

„Welcher Fleck? Wo?“

„Der dunkle Fleck auf deiner Brust!“ Sie deutete auf sein halb aufgeknoepftes Hemd. Er lachte.

„Das ist kein Fleck“, sagte er. „Das ist eine Taetowierung!“

„Du hast eine Taetowierung?“ Sie war sichtlich erstaunt und, wie Alex erfreut feststellte, auch beeindruckt.

„Willst du sie sehen?“

„Natuerlich!“

Er stellte die Teller auf den Boden und begann, sein Hemd aufzuknoepfen. „Lass‘ mich!“ sagte sie und trat auf ihn zu. Nun war es an Alex, erstaunt zu sein. Langsam oeffnete sie Knopf fuer Knopf.

„Oh! Eine Orchidee“, sagte sie. Alex nickte. Schliesslich hatte sie den letzten Knopf seines Hemdes geoeffnet.

„Das ist ja toll!“, sagte sie. Sie war einen Schritt zurueckgetreten, um das Kunstwerk besser betrachten zu koennen. Die kraeftigen Farben leuchteten beinahe auf Alex‘ heller Haut.

„Sowas haette ich dir gar nicht zugetraut“, sagte sie. „Wenn ich mir vorstelle – du und eine Taetowierung! Wie bist du eigentlich dazu gekommen?“

„Es war eine Wette“, sagte Alex.

„Ach so!“ Natascha klang enttaeuscht. „Du hast es also nicht aus freien Stuecken gemacht. Das haette ich mir denken koennen. Worum ging es denn bei dieser Wette?“

„Mein Freund und ich haben gewettet, dass er es nicht schafft, meine Freundin zu verfuehren.“

„Und er hat es geschafft!“

„Und wie! Die Kleine war mit ihm im Bett, bevor ich richtig hinschauen konnte! Aber ich habe mich geraecht!“

„Weiter! Mach’s nicht so spannend!“

„Es war nur eine kleine Taetowierung geplant, ein Kreuz oder eine Schlange irgendwo am Oberarm. Irgend so ein 08/15-Kram, nur als Zeichen eben. Aber ich hab‘ mir gedacht, wenn ich schon in den sauren Apfel beissen muss, dann lass‘ ich mir wenigstens was Ordentliches machen. Wir haben naemlich ausgemacht, dass der Gewinner die Taetowierung zahlt – so was Kleines, Einfaerbiges kostet ja nur ein paar Hunderter. Der hat nicht schlecht geschaut, wie er die Rechnung gekriegt hat.“Alex lachte, und Natascha schmunzelte ein wenig.

„Sie geht uebrigens noch weiter“, sagte er wie beilaeufig. „Willst du das auch noch sehen?“

Sie nickte, und er oeffnete seine Hose und zog sie ein Stueck hinunter.

„Das Ding ist ja immer noch nicht aus!“, sagte sie erstaunt.

„Soll ich weitermachen?“

Sie nickte heftig. Alex zog sich auch die Unterhose ein Stueck hinunter, bis der Ansatz seines Organs sichtbar wurde. Hier endete auch die Taetowierung. Das war jedoch so geschickt gemacht, dass man auf den ersten Blick meinte, sie ginge direkt in den Penis ueber.

„Nicht schlecht!“ sagte Natascha anerkennend, um unvermittelt ihre Arme um seinen Hals zu werfen und ihn lange und leidenschaftlich zu kuessen. Nur am Rande nahm sie wahr, dass er aus seiner Hose stieg. Sie wusste genau, was jetzt kommen musste, doch sie wollte es mindestens genauso gerne wie er.

„Was machst du da?“ fragte sie dennoch und spielte die Erschrockene, als sie seine kraeftigen Haende direkt auf ihren Arschbacken spuerte.

„Dreimal darfst du raten“, sagte er. Mit wenigen Bewegungen hatte er ihr ihre Jeans abgestreift. Sie spuerte, wie seine Haende ihre Schenkel hinaufkrochen, fuehlte die Erregung in sich hochsteigen. Dann hatten seine Finger ihr Ziel beinahe erreicht; nur noch ein Stueck duenner Stoff trennte sie davon. Als er ihr den Slip ausziehen wollte, nahm sie seine Haende und fuehrte sie unter ihr T-Shirt. Er verstand sie sofort. Sie zog sich das T-Shirt aus, waehrend seine Haende an ihrem schlanken Koerper entlang zu ihren Bruesten strebten. Sie liebte es, wenn ihre Brueste von zaertlichen Haenden liebkost wurden; oft hatte sie es selbst getan, nur des herrlichen Gefuehls wegen. Ihre Brueste waren gross und straff, mit kleinen Nippeln; sie hatte sie von ihrer Mutter geerbt, die trotz ihrer fast vierzig Jahre noch immer eine sehr attraktive Frau war, der niemand ihr Alter ansah. Alex begann Nataschas Brueste mit kleinen, kurzen Kuessen zu bedecken; waehrend seine Haende dort verharrten und sie sanft streichelten, wanderte sein Mund langsam ihren Hals entlang, kuesste ihre Schultern, ihr Kinn, ihre Ohrlaeppchen, ihre Stirn. Ihren Mund hob er sich bis zum Schluss auf, kreiste ihn langsam ein, um ihn dann umso intensiver zu kuessen. Sie liess ihre Haende auf seinem Ruecken spielen, streifte ihm das Hemd ab. Ihre Haende wanderten seinen Ruecken entlang, erreichten seine Unterhose, wanderten den Gummizug entlang, bis sie die Wurzel der Orchidee erreichten. Geschickt befreite sie seinen Schwanz aus seinem Gefaengnis, streichelte ihn langsam, spuerte, wie er sich in ihren Haenden langsam aufrichtete. Mit einer Hand und viel Beinarbeit entledigte sie sich ihres Slips. Sie waren jetzt beide nackt. Sie umfasste seinen Hintern, drueckte ihn fest an sich. Ohne ihren Mund von seinem zu trennen, rieb sie sich an ihm. Schliesslich zog er heftig die Luft ein und warf den Kopf zurueck. Er ergriff ihre Hand und fuehrte sie zum Bett, in das er sich ruecklings fallen liess.

„Komm‘ her!“, sagte er.

Natascha war zwar schon lange keine Jungfrau mehr, aber noch nie hatte sie das Eindringen so intensiv gespuert wie dieses Mal. Wieder hatte er ihre Haende auf ihren Bruesten, waehrend sie sich nach hinten abstuetzte. Sie begannen langsam, doch mit steigender Erregung steigerte sich ihr Rhythmus zu einem wahren Furioso.

Irgendwann mittendrin beugte sie sich nach vorne, und er saugte und leckte sanft an ihren Bruesten. Schliesslich liess sie sich auf ihn niedersinken und kuesste ihn heftig. Sie rollten eine Weile im Bett hin und her, bis sie beinahe gleichzeitig ihren Hoehepunkt erreichten. Erschoepft trennten sie sich voneinander, um eine Zeitlang – vielleicht waren es nur einige Minuten, vielleicht eine halbe Stunde, das Zeitgefuehl war ihnen voellig abhanden gekommen – still nebeneinander zu liegen, dem Herzschlag des anderen lauschend.

Schliesslich rueckten sie wieder naeher zueinander. Gedankenverloren begann sie, seine Hoden zu kraulen. Alex genoss es, wie er jede ihrer kleinen Beruehrungen genoss.

„Der Name ‚Orchidee‘ kommt uebrigens von dem griechischen Wort fuer Hoden, ‚orchis'“, sagte er unvermittelt. „Die Wurzelknollen sehen naemlich wie Hoden aus. Man hat der Pflanze deswegen lange Zeit eine potenzfoerdernde Wirkung zugeschrieben.“

„Ehrlich?“ fragte sie und wandte sich ihm zu. Er nickte.

„Na, du hast sowas jedenfalls nicht noetig!“ stellte sie fest und lachte.

„Wieso bist du da so sicher?“ fragte er und drehte sich auf die Seite, sodass er sie direkt ansehen konnte.

„Man sieht es dir an!“ sagte sie laechelnd, und deutete auf ein ganz bestimmtes Koerperteil. Auch Alex hatte gemerkt, dass ihn ihr Anblick wieder erregt hatte.

„Ring frei zur naechsten Runde!“ sagte er lachend und zog sie an sich.

Danach ging sie fort. Vergeblich hatte Alex versucht, sie zu ueberreden, auch noch ueber Nacht bei ihm zu bleiben.

„Es war schoen“, sagte sie, als er sie an der Wohungstuer verabschiedete. „Aber ich muss jetzt wirklich gehen!“

„Gib mir wenigstens deine Telefonnummer!“

Sie schuettelte nur den Kopf. „Bitte!“

Wieder erntete er bloss ein Kopfschuetteln.

„Warum?“

Sie ergriff seine Haende, sah ihn mit ihren grossen Augen schweigend an. In ihrem Blick lagen Zaertlichkeit und auch ein wenig Mitgefuehl, ja beinahe etwas wie Trauer. „Ich habe dich angelogen“, sagte sie schliesslich. „Ich fahre nicht zum Geburtstag meiner Grossmutter. Meine Grossmuetter sind beide schon tot. Ich fahre zu meiner Hochzeit!“

Wie vom Donner geruehrt stand Alex da, als sie ihm einen letzten, fluechtigen Kuss gab. Er sah nichts mehr, nahm nichts mehr wahr ausser dem leicht kribbelnden Gefuehl auf seinen Lippen und dem Geraeusch ihrer Schuhe, als sie die Treppe hinunterging.